Überblick: Stationäre Therapie – wieso, wie und wo

Zusammenfassung: Dieser Überblicksartikel will Dir eine Einleitung und erste Orientierung bieten, falls Du Dich mit dem Gedanken tragen solltest, eine stationäre Psychotherapie zu beginnen. Einzelne Punkte werde ich in künftigen Beiträgen vertieft betrachten. Meine Ausführungen basieren auf meinen insgesamt fast 12-monatigen Erfahrungen in drei verschiedenen Kliniken im Verlauf der letzten 16 Jahre.

Photo: Eric Mclean

Keine normale Klinik

Die meisten Menschen, die ich in Kliniken kennengelernt habe, waren zum ersten Mal dort und für viele war es der letzte Schritt einer längeren Leidensphase. Dies passt zum „regulären“ Klinikaufenthalt, also einer physiologisch-medizinischen Klinik, etwa wenn der Blinddarm durchbricht oder ein schwerer Unfall passiert ist. Auch psychotherapeutische Kliniken werden m.E. so von den Kostenträgern behandelt: Wenn also die Not groß ist oder ein „schwerer“ Fall vorliegt.

Zugleich hat der Aufenthalt in einer psychotherapeutischen Klinik (wenn im folgenden nur von „Klinik“ gesprochen wird, dann ist immer eine psychotherapeutische Klinik gemeint) meiner Meinung nach eine andere Bedeutung, als das in regulären Kliniken der Fall ist. Denn – und das ist für die meisten eine schwer verständliche Nachricht – eine absolute Heilung kann nicht erwartet werden. Den Grund dafür kann man auch so zusammenfassen: Ein 50 Jähriger wird sich in drei Monaten nicht grundlegend ändern. Aber er kann die Richtung seines Weges neu bestimmen – und erste Schritte machen.

Es kann aber auch vorkommen, dass jemand mit bereits vielen Jahren Therapieerfahrung in eine Klinik geht. Dann kann er hier seine vielleicht letzten wichtigen Schritte machen.

Zugleich möchte ich mich auf diese Aussagen nicht festnageln lassen. Der Mensch und seine Psyche sind keine Baukästen und ganz sicher funktioniert er nicht wie ein Computer, auch wenn viele die Analogien „Festplatte“ und „Prozessor“ allzu gerne benutzen. Es kann in diesem kurzen Beitrag auch nicht darum gehen, diese Komplexität zu erfassen, vielmehr möchte ich dazu beitragen, dass das Verständnis für Deinen eigenen psychotherapeutischen Weg fruchtbarer wird, als ohne diese Informationen.

Aber es ist weitgehend egal, wo Du Dich in Deinem Prozess befindest, ich bin sicher, dass Du für Dich etwas aus Deinen folgenden Zeilen ziehen kannst.

Damit möchte ich kurz auf den formalen Rahmen eingehen: die Kostenträger.

Krankenkassen vs. Rentenversicherung

Die formalen Bedingungen sollen hier nur wenig Raum einnehmen, da ich mich auf die individuellen und persönlichen Faktoren bei der stationären Psychotherapie konzentrieren möchte. Es macht aber einen Unterschied, wer der sogenannte „Kostenträger“ eines Klinikaufenthaltes ist. Krankenkassen lassen zumeist mehr Spielraum bei der Klinikwahl, während die Rentenversicherung m.W. nur die mit ihr vertraglich verbundenen Kliniken als Behandlungsorte zulässt. Bei der Rentenversicherung nennt sich das Ganze auch Rehabilitationsmaßname, also das, was landläufig unter „Kur“ verstanden wird.

Um per Krankenkasse die Leistung zu erhalten und entsprechend Auswahl haben zu können, muss eine akute Einweisung notwendig sein. Details hierzu solltest Du mit Deinem ambulanten Therapeuten bzw. Deinem Hausarzt besprechen. Letztlich kann nur ein*e zugelassene*r Arzt eine Überweisung schreiben. Daher empfiehlt es sich, jemanden zu kennen, die/der bereits Erfahrungen mit Kliniken hat.

Der Bedarf: Warum gehe ich?

Es mag trivial erscheinen, aber oftmals ist der/dem Patient*in nicht klar, wieso er/sie überhaupt in die Klinik geht. Viele sehen sehr leicht, was im Alltag nicht funktioniert, wo sie Schwierigkeiten haben oder wo vielleicht auch etwas emotional weh tut. Dennoch fällt es oftmals schwer, diese Themen auch konkret und vor allem emotional zu beschreiben.

Psychotherapie ist viel Emotionsarbeit. Zu wissen, dass es um Trauer, Wut oder Ängste geht, ist bereits ein großer Schritt. Sei Dir also so weit wie möglich darüber im Klaren, welche Emotionen Dich umtreiben. Sollte Dir das Schwierigkeiten bereiten, dann kann es sein, dass der Zugang zu Deinen Emotionen Dein Thema ist.

Kurz gesagt: Mache Dir Dein Thema klar, mit dem Du in die Klinik gehst.

Allerdings kann Dein „Thema“ NICHT sein: „Mein Arzt hat mich zum Klinikaufenthalt gezwungen!“

Die Entscheidung: Freiwilligkeit

Am besten ist es, wenn Du freiwillig in die Klinik willst und nicht von Deinem Arzt oder Deiner/m Partner*in die Entscheidung getroffen wurde. Denn eine Unfreiwilligkeit wird Dich in der Therapie nur Zeit kosten: Du wirst länger brauchen, um anzukommen, um die Therapie zu akzeptieren, um die Angebote zu verstehen, um in Kontakt mit der Patientengemeinschaft zu kommen, kurz: um die Therapie annehmen zu können.

Ohne Freiwilligkeit dauert es Wochen, bis Du wirklich ins psychotherapeutische arbeiten kommst. Dann kann der Aufenthalt schon halb vorbei sein. Eventuell schickt Dich die Klinik sogar schon wieder nach Hause, weil die Therapeut*innen merken, dass Du nicht vorankommst.

Mit der Freiwilligkeit legst Du also den wichtigen Grundstein für die noch wichtigere Grundhaltung, mit der Du die Angebote wahrnimmst.

Die Grundhaltung

Das Wichtigste ist eindeutig Deine Haltung, mit der Du in eine Klinik gehst. Denn erfolgreiche Psychotherapie hat viel damit zu tun, inwiefern Du Dich auf die Angebote einlassen kannst. Die kommenden Absätze sind gerade für Neulinge schwer zu verdauen, denn bei psychotherapeutischen Kliniken wird das Therapieprinzip, das man aus klassischen Klinken kennt, gleichsam auf den Kopf gestellt.

Während bei einem normalen Krankenhausaufenthalt (in der Regel) das „System“ die Diagnose stellt, musst Du in der psychotherapeutischen Klinik selbst liefern: sei offen. Wirkt in der normalen Klinik das Medikament auch dann, wenn der Patient das eigentlich gar nicht will, heißt die erste goldene Regel hier nun: annehmen. Und während in einer normalen medizinischen Klinik die Patientin gleichsam passiv daliegt und die Therapie über sich ergehen lässt (sich röntgen lassen, sich Blut abnehmen, sich der Operation unterziehen lassen, sich Medikamente geben lassen und diese nehmen, und so weiter), ist die Therapie in einer psychotherapeutischen Klinik in überwiegendem Maße von Dir abhängig. Es geht also um Hilfe zur Selbsthilfe.

Selbsthilfe

Wenn Du denkst, die Therapeut*innen einer Klinik helfen Dir, indem Du Dich locker zurücklehnen kannst und Dir nur anhören musst, was diese zu sagen haben, dann bist Du leider auf dem Holzweg. Auch wird Dir kein Werkzeugkoffer oder ähnliches mitgegeben, mit dem Du dann zu Hause munter die ein oder andere „Sache löst“ oder gar Deine „Festplatte“ neu formatierst.

Diese Haltung ist m.E. weit verbreitet, doch so funktioniert es – leider – nicht. So sind die Therapeut*innen einer Klinik nicht viel mehr als Begleiter*innen, die Dir versuchen, Wege aufzuzeigen. Dabei sind sie ihren ambulanten Kolleg*innen ähnlich. Einzig, die Direktheit, die für manche auch eher wie Härte daherkommen mag, macht einen Unterschied. Im geschützten Rahmen der Klinik wird weniger vorsichtig mit Dir umgegangen und Du wirst direkter auf Deine Themen hingewiesen.

Es ist also viel Arbeit von Dir gefordert – und es wird sehr anstrengend werden. Vor allem emotional, etwa, weil auch Tränen fließen können. Daher darfst Du Dir bereits schon vor der Anreise auf die Schulter klopfen, dass Du den Mut aufgebracht hast, einen solchen Schritt zu tun.

Jetzt wäre es hilfreich, abermals Mut zu fassen, nämlich dafür, sich auf die Angebote einzulassen.

Annehmen

„Was soll der Quatsch?“ – das ist nicht selten die Reaktion von Neulingen im Klinikkontext. Diesen erscheint Vieles sehr fragwürdig und manchmal sogar esoterisch. Dabei steckt der Kern des therapeutischen Erfolges nicht zuletzt im Annehmen der Angebote. Im Gegensatz zu medikamentösen Behandlungen kann hier aber – zunächst und schon gar nicht mit einer Übung – viel kaputt gemacht werden. Vielmehr ist es eher umgekehrt, dass ein Effekt gar nicht eintreten kann, weil sich die/der Patient*in innerlich sperrt.

Ich empfehle, die therapeutischen Angebote einfach als Experiment für sich selbst zu sehen: „Was passiert mit mir (emotional), wenn ich hier und dort jeweils dies und das mitmache?“ Natürlich muss es neunmalklug erscheinen, wenn ich sage, dass jemand, der Schwierigkeiten mit dem Zugang zu seinen eigenen Gefühlen hat (vor allem Männer), den Effekt der Therapie nur bedingt wahrnehmen kann. Aber wenn Du nicht zumindest versuchst, Dich in diesem Sinne der Therapie zu überantworten, dann wird dieser Effekt gar nicht erst beginnen können zu wirken.

Wenn also der Therapeut Dich und Deine Mitpatient*innen bittet, wie ein Elefant im Raum herumzugehen, dann tue es so gut es geht. Aber spiele dabei nicht nur, sondern versuche zu spüren, wie das für Dich ist. Und vor allem: Hab Spaß dabei! Und wenn Du die Möglichkeit hast, zum Aufwärmen in einer Therapie bei hellichtem Tag zu tanzen, dann tanze, so wie Du gerade Lust hast. Aber frage Dich dabei: Folgst Du wirklich Deiner Lust? Oder was wäre, wenn Du hier nun völlig ausflippen und abtanzen würdest, als gäbe es kein Morgen?

Die Therapie „anzunehmen“ heißt aber noch viel mehr: Vielleicht schmeckt Dir das Essen nicht? – Nimm es an. Vielleicht nerven Dich die Mitpatient*innen? – Nimm es an. Vielleicht findest Du Deinen Therapeuten schrecklich? – Nimm es an.

Auch das ist Teil des Experimentes: Sei Dir selbst gegenüber ehrlich, was die Angebote, die Rahmenbedingungen, als auch das Setting insgesamt bei Dir auslösen. Versuche Deine damit verbundenen Emotionen möglichst klar zu formulieren – und sprich darüber. Sei offen!

Offenheit

Sicherlich kannst Du Deine Klinikzeit sehr gut herumbringen, indem Du in jeder Therapie einfach weitgehend passiv dabei bist. Das wird es den Therapeut*innen schwerer machen, mit Dir zu arbeiten. Wenn Du aber offen bist, also einen Blick in Dein Innersters gewähren lässt und versuchst, authentisch zu sein, lieferst Du viele Ansätze, um Dir die richtige Richtung zu weisen zu lassen.

Die Übung dazu ist, Deine Geschichte – denn zumeist hängen alle akuten Themen irgendwie mit Deiner Vergangenheit zusammen – möglichst schonungslos und ungeschönt zu erzählen. Das ist für viele nicht so leicht, denn wirklich offen zu sprechen, wird uns im Alltag weitgehend abtrainiert.

Versuche also, so offen wie möglich über alles – wirklich alles – sprechen zu können!

Die verschiedenen Therapien

Der Mikrokosmos

In einer Klinik wird auf eine bestimmte Art und Weise die Welt „draußen“ nachgebildet. Das mag eine unbeabsichtigte Folge von Entscheidungen sein, die mit diesem Umstand gar nichts zu tun haben. Etwa., dass i.d.R. wöchentlich neue Patient*innen anreisen, ist dem immer gleichen wöchentlichen Ablauf geschuldet und weil eine Klinik ja immer wieder neue Patient*innen aufnehmen will.

Entsprechend der „Draußenwelt“ heißt das, dass Du immer wieder auf neue Menschen treffen wirst – und damit beginnt der Spaß; oder die Herausforderungen, denn, wie auch im normalen Leben, entstehen zwischenmenschliche Konflikte.

Diese Umstände anzunehmen heißt, dass Du sehr aufmerksam sein solltest, was der Klinikalltag mit Dir macht. Immer dort, wo etwas (gerade innerlich, also emotional) passiert, gilt es, hin zuhören. Der Mikrokosmos Klinik bietet damit die Chance, Themen, die Dich auch im Alltag beschäftigen, hier, gleichsam wie unter einer Käseglocke, gesondert zu betrachten.

Dazu kann auch das o.g. wilde Abzappeln beim Tanzen gehören. Wo sollte man das ausprobieren, wenn nicht hier? Solltest Du vollkommen daneben liegen, dann wirst Du das hier mitbekommen – aber wohlwollend vermittelt und vor allem: mit Erkenntnisgewinn für Dich (sofern Du das annehmen kannst). Die Therapeut*innen werden Dir dabei helfen, den richtigen Fokus zu finden (denn manches ist wichtiger als anderes).

Freue Dich darauf, hoffentlich die gleichen „Probleme“ in der Klinik zu haben, wie zu Hause. Die Dynamik vor Ort wird es Dir einfacher machen, an den damit zusammenhängenden Themen zu arbeiten, als darüber nur mittelbar in Erzählungen über zu Hause zu berichten.

Gruppentherapie

Die meisten Therapieangebote in Kliniken sind in Gruppentherapieform organisiert. Ungefähr zehn bis fünfzehn Personen kommen zusammen und werden von den Therapeut*innen inhaltlich angeleitet. Ich bin sicher, dass auch betriebswirtschaftliche Gründe hinter der Entscheidung für dieses Format stehen, aber Gruppentherapie hat auch ganz klare Vorteile: Dein Verhalten in der Gruppe legt Dein Alltagsverhalten viel deutlicher offen als eine 1:1-Situation mit Dir und Deinem Therapeuten.

Auch ergeben sich so viele informelle Momente, welche für sich sprechen, etwa, wenn jemand ständig dazwischenredet oder sich nach einem Kommentar aufregt. Das ist gut, sofern das alles echt ist. Das heißt, versuche Dich nicht in der Gruppe zu verstellen. Sei so authentisch wie möglich!

Die Gruppe wird es Dir in der Regel danken mit mehr Integration.

Einzeltherapie

In den meisten Kliniken werden Einzelsitzungen zusätzlich zu den Gruppenangeboten durchgeführt. Sie haben i.d.R. die Länger einer üblichen, von den Kassen bezahlten Sitzung, also 50 Minuten. Diese Sitzungen dienen der Fokussierung auf ein Thema oder der Besprechung von Themen, die Du Dich nicht traust, in der Gruppe anzusprechen.

Zugleich werden die Einzelsitzungen nicht dazu genutzt werden, Dinge abschließend zu erörtern, wie überhaupt das allumfassende Ende der Therapie nur von Dir selbst erreicht werden kann. Anders gesagt: Die Freude vieler Patient*innen, im „Einzel“ endlich die Therapeutin gleichsam für sich alleine zu haben, wird zumeist insofern enttäuscht, als die dortigen Themen dann im Gruppenkontext weitergeführt werden (sollten).

Sprechstunde

Manche Kliniken bieten auch eine Sprechstunde im Therapieplan an. In dieser Zeit können die Patient*innen auch zu anderen Therapeut*innen gehen und mit diesen ein Thema besprechen. Jedoch hat diese Sprechstunden eher informativen als therapeutischen Charakter. Die Therapeut*innen werden dahingehend auch selbst Grenzen setzen und vermitteln, für welche Anliegen die Sprechstunde gedacht ist.

Kreativtherapien

Die Welt der Kreativtherapien ist sehr vielfältig. Stark vereinfacht könnte man sagen: Alles, was nicht Gesprächstherapien sind, gehören zugleich zu den Kreativtherapien.

Daneben sind die therapeutischen Angebote in stabilisierende und aufdeckende Therapien unterteilt. Aufdeckende Ansätze wollen bisher unbewusste Zusammenhänge oder Mechanismen für die/den Patient*in sichtbar oder erfahrbar machen, indem sie/er sich im therapeutischen Setting deutlich in zum Beispiel einem Verhaltensmuster erlebt.

Stabilisierende Therapieansätze hingegen wollen nicht weiter „graben“, sondern die Alltagsbewältigung unterstützen, indem positive Erfahrungen gemacht werden, etwa durch gestalterische Tätigkeiten.

Zu den Kreativtherapien gehören zum Beispiel die Musik-, Theater-, Kunst- oder Körpertherapie.

Psychoedukation

Psychoedukative Gruppen sollen, wie der Name andeutet, zuvorderst Lehrinhalte vermitteln. Die/der Patient*in soll mehr über ihre/seine Diagnose bzw. das Krankheitsbild sowie damit zusammenhängender Aspekte lernen.

Dabei wird vonseiten der Klinik im besten Falle nicht auf Frontalunterricht gesetzt, sondern auch therapeutische Elemente miteinbezogen. Letztlich folgt auch das einem Gruppenprinzip.

Auf dem Zimmer

In den meisten Fällen erhältst Du in einer psychosomatischen Klinik ein Einzelzimmer. Tatsächlich gibt es auch Kliniken, die (wenige) Doppelzimmer vergeben. Über den Sinn dahinter kann man sich streiten, wenngleich ich vorwiegend ökonomische und nur wenige therapeutische Gründe für Doppelzimmer sehen kann. Solltest Du aber ein Doppelzimmer erhalten, dann würde auch hier gelten: versuche, diesen Umstand anzunehmen. Sicher hält dieser sehr viele Momente für Dich bereit, die wiederum therapeutisch verwertete werden können (s. dazu auch den Punkt: Konflikte).

So oder so: In Deinem Zimmer hast Du Raum für Dich in jedem Sinne des Wortes. Du kannst Dich zurückziehen, Deinen Gedanken nachhängen, weinen (wenn Dir das vor anderen nicht gelingen sollte) und auch das Zimmer gestalten. Gerade die in den Kreativtherapien (etwa Ausdrucksmalen) hergestellten Werke können im Zimmer ausgestellte werden. Dabei halte ich es für wichtig, dass Du keine Bilder malst, um toll dazustehen, sondern dass Dir diese als innerer Anker für emotionale Zustände oder für bestimmte Erlebnisse helfen.

Diesen Raum — Dein Zimmer — als Zentrum der therapeutischen Arbeit zu begreifen, kann helfen, den Aufenthalt reicher zu machen. In diesem Raum wirst Du Deine Wochenberichte schreiben aber vielleicht auch Tagebuch (wozu ich rate). Du wirst dort vielleicht mehr Zeit verbringen als gedacht, gerade weil das psychotherapeutische arbeiten so anstrengend ist. Daher solltest Du Dich hier wohlfühlen — und falls Du es nicht so mit Wohlfühlen haben solltest, könnte das eine Chance sein, für Dich zu prüfen, was ein Zimmer so alles bedeuten und was man damit machen kann.

Die Mitpatient*innen

Einer der wichtigsten Momente in der Klinik ist die Patientengemeinschaft. Durch die zwischenmenschlichen Kontakte erhält die Therapiearbeit oftmals erst ihr Futter. Die akute Situation, die sich aus den Mitpatient*innen ergibt, ist damit ungleich reicher an Erleben, als wenn Du in den Therapien vor allem aus Deiner Vergangenheit erzählst.

Sich in die Patient*innengemeinschaft einzufügen, dort seinen Platz zu finden und diesen auch zu behalten, ist für die meisten eine große Herausforderung. Und wenn ich „behalten“ sage, dann meine ich damit keine Kämpfe oder Konkurrenzen, sondern das fundierte Gefühl, auch wirklich angekommen zu sein und sich wohl zu fühlen.

Diese Kontakte in der Gemeinschaft werden Dich über viele Wochen begleiten, also ist es wert, sich mit einem wachen Auge auf diese Kontakte einzulassen, wobei dieses Auge nicht zuletzt auch nach innen gerichtet sein sollte, denn ganz sicher werden sich hier in der Klinik ebendie Momente einstellen oder wiederholen, die Du von „draußen“ oftmals problematisch erlebst oder Dir Schwierigkeiten bereiten. Es kann also durchaus zu Konflikten kommen.

Konflikte

Wahrscheinlich wird es sogar ganz sicher zu Konflikten kommen. Das liegt schon daran, dass jeder Mensch, wir alle, beinahe tagtäglich in einen Konflikt mit einem Mitmenschen kommen. Warum sollte das in einer Klinik anders sein?

Somit ist schon der Wunsch, mit niemandem in Konflikt zu kommen, ein gutes Indiz dafür, dass die Wahrnehmung der Umwelt und die Bewältigung der Herausforderungen, die sie bereithält, mit einer idealisierten Haltung vorgenommen wird. Kurzum: Das wäre schon ein erstes Therapiethema.

Zugleich liegt darin also auch eine Chance, denn diese Dynamiken zu betrachten und sogleich auch akut zu „behandeln“, ist in dieser begleiteten Form i.d.R. im Alltag nicht möglich. Kurzum: Konflikte sind Chancen! Sie halten alle möglichen Erkenntnisse für und über Dich bereit.

Freundschaften

Nun ist ja nicht immer alles „schlecht“ und so entstehen in Kliniken oftmals Freundschaften. Dies wird schon dadurch befördert, weil der weitgehend offene und intime Umgang miteinander das jeweilige Gegenüber näher werden lässt. Meist geht es gleich zu Beginn schon sehr persönlich zur Sache, schon wenn anderen nur ihre Geschichte erzählen und warum sie überhaupt in der Klinik sind.

So etwas verbindet schnell und man fühlt sich aufgehoben und verstanden. Das ist gut und wichtig, auch weil Mitpatient*innen in diesem Sinne auch Hilfe zur Selbsthilfe geben können. So profitiert jeder von den Erfahrungen der anderen.

Das Ganze kann nur dann dem Therapieverlauf eher abträglich werden, wenn aus den Freundschaften eine Art Jugendherbergsstimmung wie auf einer Klassenfahrt erwächst. Dann wird Spaß und Unterhaltung schnell wichtiger, als die therapeutische Arbeit, was aber zugleich vertane Zeit wäre.

Die Rahmenbedingungen laden gleichsam dazu ein: es gibt Regeln, gegen die verstoßen werden kann; es gibt Aufsichtspersonal, dem man ein Schnippchen schlagen kann — und es gibt das andere Geschlecht bzw. andere Geschlechter, dem man näher kommen kann.

Liebe & Intime Kontakte

Ja, bei längeren Klinikaufenthalten kann es zu sexuellen Kontakten kommen und manchmal verlieben sich Patient*innen auch ineinander. Auch hier tragen die Rahmenbedingungen der sehr offenen und privaten Begegnungen im Rahmen der Therapien dazu bei.

Die Klinik kann sexuelle Kontakte nicht ultimativ untersagen und schon gar nicht dieses Verbot überwachen. Bis auf übliche Vorgaben zur Nachtruhe oder ähnlicher Störungen wird eine Liaison auch unbemerkt bleiben. Aber dennoch sollte darüber gesprochen werden. Denn auch das ist ein sozialer Kontakt, der nicht an der Tagesordnung ist. Oder anders gesagt: Welche Rolle spielt ebendieser sexuelle Kontakt in Bezug auf Deine Therapiethemen? Zum Beispiel gibt es Menschen, die über Sexualität ihrer inneren Pein begegnen. Insofern ist Sex nichts anderes als ein inneres Ablenkungsmanöver (wohlgemerkt: Sex. Ich rede nicht von benötigten Umarmungen oder Streicheleinheiten).

Am besten kann so etwas im Einzelgespräch angesprochen werden. Die/der Therapeut*in wird dann entscheiden können, wie mit dem Thema weiter umzugehen ist.

Ungleich dramatischer ist es, wenn Du Dich in der Klinik verliebst. Denn dann steht der gesamte Therapieerfolg auf dem Spiel, weil verliebte Menschen in der Regel nicht therapierbar sind. Das ganze innere Gefühlsgefüge ist durcheinander und Du bist dann nicht mehr zugänglich für die therapeutischen Ansätze. So schön Verliebtsein und Liebe ist: in der Klinik wäre das sehr kontraproduktiv.

Beim Essen

Es mag ja für viele wichtigerer Themen geben, aber immerhin begibt sich der Mensch dann dreimal am Tag in den Speisesaal. Tatsächlich steht bei diesem Thema auch mehr der Kontakt zu Mitpatient*innen im Zentrum als die Qualität oder Auswahl der dargebotenen Leckereien. So ist es auch müßig, die verschiedenen Angebote hier zusammenzufassen. Es gibt Kliniken, die legen Wert auf vegetarische bis vegane Ernährung, es gibt Kliniken mit drei verschiedenen Speisesälen, die wiederum drei verschiedene Schwerpunkte in der Speisenauswahl vertreten.

Daneben soll der Speisesaal auch als Faktor in der Bildung der Patient*innengemeinschaft genutzt werden. Oftmals vergeben Dir Kliniken einen festen Sitzplatz im Speisesaal. Das bringt Dich meist mit Patient*innen zusammen, mit denen Du über Deine sonstigen Gruppen sonst weniger Kontakt hättest. Auch hier gilt also: Lass Dich darauf ein. Es kostet nur unnötig Kraft, hier unbedingt eigene Sitzgruppen zu etablieren.

Sport

Jede Klinik hat unterschiedliche Sportangebote, manche sogar nahezu gar keine. Aus meiner Erfahrung hatte die Rehaklinik (DRV Bund: also „Kur“) das beste Angebot, weil diese sogar eine vollständige Sporthalle hatte. Das passt aber wiederum insofern ins Bild, weil Rehabilitationsmaßnahmen im Blick haben, was ich „fit machen“ nenne.

Anders gesagt: Psychotherapie ist so anstrengend auch für den Körper, dass mit Sport bei mir sowieso nicht viel los war. Das muss natürlich jede*r selbst feststellen, aber im Zweifel war das Kopfkissen näher als die Laufschuhe.

Dennoch ist Bewegung nie verkehrt, allein, das individuelle Maß ist zu finden.

Struktur

Der strikte und — typisch deutsch — früh beginnende Tagesablauf hat das Ziel, die Patient*innen das Gefühl für Tagesablauf und Tagesstruktur zu vermitteln. Viele kommen in eine Klinik und haben diese teils vollständig verloren, weil die Belastungen so stark sind, dass schlicht keine Energie für den Tag da war. Zugleich ist weitgehend erwiesen, dass klare Tagesstrukturen auch für die psychische Gesundheit gut sind.

In der Regel beginnt der Tag bereits um 7:00 mit dem Frühstück, bevor es um 8:30 mit den Therapien losgeht. Grundsätzlich kann davon ausgegangen werden, dass jeder einen individuellen Therapieplan hat, je nach eigener Indikation. Das kann heißen, dass zwischendurch längere Pausen von ein bis zwei Stunden sind und dann aber auch ein Tag voll und bis 17:00 gehe kann. Auch hier lautet die Devise: Lass‘ Dich drauf ein!

Die Freizeit dazwischen ist ab und an nötig, um das gerade erlebte nachwirken zu lassen. Hier lohnt es sich, ins Tagebuch zu schreiben. Auch kann es therapeutisch sinnvoll sein, viel Zeit zu haben, etwa, wenn Du als Patient den Eindruck machst, dass Du Dich in den Therapiesitzungen eher ablenkst. Stattdessen wollen die Therapeut*innen, dass Du Dich mit Dir befasst, ja, mit Dir konfrontierst.

Spezialangebote

„Hetzen Sie nicht von Entspannung zu Entspannung!“, so der Oberarzt der ersten Klinik, in der ich war. Das galt vor allem jenen, die sich gerne „ablenken“ oder „alles nutzen“ möchten. Oftmals kann schon an der Sprache die Einstellung und die Haltung gegenüber der eigentlichen therapeutischen Arbeit abgelesen werden.

Hinterfrage Dich also, ob Du Dich tatsächlich auf die Therapie einlässt oder doch den Hang hast, Angebote eher als Ablenkung zu sehen. Das Umfeld, Deine Mitaptient*innen als auch die Therapeut*innen werden Dir das gut spiegeln.

Kurzum: Alles, was mehr optionalen Charakter hat, sollte darauf geprüft werden, ob Du das wirklich brauchst. Es gibt Kliniken, die selbst für Kassenpatient*innen Angebote haben, die eher Wellness- als Therapiecharakter haben. Das mag schön anmuten, aber was bringt es, wenn Du in dieser Zeit die Chance verpasst, still in einer Ecke zu sitzen und die Therapieerfahrung innerlich „tiefer sinken“ kann, Du aber stattdessen damit beschäftigt bist, herauszufinden, wie man denn nun die Dauerdusche bedient.

Abhängigkeiten

Sich ablenken, von der inneren Pein davonlaufen, eifrig Dinge machen, nehmen oder vorbereiten zu müssen, können (!) Hinweise auf eine Vermeidungshaltung sein. Ins Extreme gesprochen: Süchte und Abhängigkeiten können unterschiedlichster Form sein. Computerspiele spielen, am Handy hängen oder Filme gucken kann genauso einen Abhängigkeitscharakter haben wie Marihuana rauchen oder Alkohol trinken.

Um es ganz wertfrei zu sagen: Versuche zu erkennen, wo, wie und womit Du Dich evtl. versuchst eigentlich nur abzulenken oder Ängste zu bekämpfen. Die Inhalte können ganz unterschiedlich sein – auch Sport oder Aktionismus sowie übertriebene Reinlichkeit oder immer anderen helfen zu wollen etc. können solche Mechanismen sein (in manchen Kliniken müssen Einzelne sog. „Anti-Helfer-Verträge“ unterschreiben.

Aber auch das Einnehmen der verschriebenen Medikamente kann diesen Effekt haben: Zu wissen, dass Du vergessen hast, Dein Schlafmittel zu nehmen, kann zu noch mehr Panik führen. Damit möchte ich nur den Zusammenhang des Zwanghaften verdeutlichen und dass sich dieser auf wirklich alles mögliche übertragen kann.

Einpacken

Am besten gehst Du davon aus, dass Du mehrere Wochen (maximal 12) in der Klinik sein wirst. Das kann heißen, dass sich die Jahreszeiten deutlich ändern, gerade im Spät- und Frühjahr. Ich würde daher für alle Wetterlagen mindestens eine Garnitur mitnehmen. Grundsätzlich aber ist eher zu lockerer, legerer und sportlicher Kleidung zu raten. Sofern nicht gerade Sonderregelungen gelten (etwa wie während einer Pandemie), wirst Du viel Zeit auf dem Boden und mit Kissen und Decken verbringen. Die enge Jeans stört da eher.

Trotzdem hatte ich immer auch „gute Sachen“ dabei, denn irgendwann musst Du auch mal das Klinikgelände verlassen, weil das niemand aushält. Das kann dann ein Restaurantbesuch mit anderen oder eine Wanderung oder ein Ausflug in eine andere Stadt sein. Natürlich darf dort jede*r tragen, was sie*er will, aber es ist doch schön, wenn Du dann die Klamotten dabei hast, die Du auch sonst in solchen Situationen tragen würdest,

Ansonsten teilen die Kliniken i.d.R. sehr umfangreich mit, was vorhanden ist (Waschmaschinen, Trockner, Bügeleisen) und was mitzubringen ist (Fön, Badetuch, Bademantel etc.). Aber ein Mehrfachstecker hat sich für mich immer bewährt. 😉

Anreise

Nicht selten liegen die Kliniken in eher kleinen Orten oder etwas (!) weiter weg von der nächsten Siedlung. Daher fand ich es immer gut, mit dem eigenen Auto kommen zu können — schon allein, um die Menge an Gepäck transportieren zu können. Es sollte daher auch damit gerechnet werden, dass sich eher mehr ansammelt (Bilder, dort gekaufte Kleidung, o.ä.) und das eigene Gepäck also eher größer wird.

Viel wichtiger aber ist, mit welcher Haltung komme ich an! Die Klinik teilt Dir schon mit, in welchem Zeitfenster die Aufnahme stattfindet. Aber WIE Du ankommst, bestimmst nur Du! Die Therapie, so könnte man sagen, beginnt bereits am Anreisetag, auch wenn Dich die Klinik eher sachte in ihren Alltag einführt. Ich meine damit, dass es erst viele formale Dinge zu erledigen gibt und auch gut die ersten drei Tage vergehen können, bis Dein individueller Therapieplan „greift“ (Details dazu dann im gesonderten Artikel zur Anreise).

Allerdings ist es ein riesiger Unterschied, ob Du Dir bereits vor der Anreise klar machst (oder klar machen kannst), was Deine Absicht und Dein Ziel für Deinen Aufenthalt sein soll. Und welches Deine innere Haltung ist, mit der Du das alles erleben möchtest.

Rückreise

In guten Kliniken wird der Abreisetag bereits bis zu 14 Tage vorher „eingeleitet“, indem gesonderte Transferagebote gemacht werden, die sich nicht — nur — um die formalen Dinge kümmern. Gerade die Herausforderungen, die Dir wieder begegnen werden und Dich evtl. von der „Bahn“ abbringen könnten, welche Du in der Klinik aufgenommen hast, stehen hier im Fokus.

Es kann sein, dass Du Vorkehrungen treffen musst, damit Dich der Alltag nicht gleich wieder ein- und überholt. Dazu gehört vor allem, dass sich Dein Umfeld darauf einstellen kann aber auch, dass man nach der Therapie ersteinmal Urlaub braucht. Das mag grotesk klingen, aber psychotherapeutische Behandlungen in dieser Intensität sind anstrengend, sehr anstrengend. „Erholt“ jedenfalls wirst Du nicht aus der Klinik kommen. Aber das ist okay. Du bist innerlich am heilen.

Nachsorge

Der Weg wurde beschritten und er ist zumeist nicht vorbei. Vielleicht wird er das auch nie. Wie auch? Wir verändern uns als Menschen immer weiter. Daher geht es in der Psychotherapie nach meinem Verständnis auch nicht so sehr um die ultimative und endgültige Heilung, sondern darum, als Mensch in der Lage zu sein, sich selbst zu regulieren, sich um sich selbst kümmern und das beste aus seinem Leben machen zu können. Ebendiese Fähigkeiten haben viele von uns verlernt oder nie richtig gelernt. Oder es kam etwas dazwischen, was uns den Kontakt zu uns hat verlieren lassen.

Auch, weil zumeist viele Töpfe aufgemacht werden in der Klinikzeit (drei Monate sind eine lange Zeit, aber im Vergleich zu einem Menschenleben eher kurz), die nicht „fertig“ behandelt werden können, wird zumeist angeraten, einen ambulanten Therapeuten zu finden, um die Fäden aus der Klinik gleichsam weiterzuspinnen.

Wer bereits in psychotherapeutischer Behandlung ist, muss sich darum weniger kümmern. Zugleich kann es angeraten sein, eine Veränderung in der Therapie anzustreben (anderer Ansatz, anderer Therapeut, andere Intervalle…). In jedem Falle geht Dein eigener Weg nun weiter — hoffentlich mit einem besseren Gefühl für Dich und Deine Umwelt!

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3 Kommentare zu „Überblick: Stationäre Therapie – wieso, wie und wo“

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