Selbstwirksamkeit – Talent vs. Arbeit

Zusammenfassung: Selbstwirksamkeit ist mehr harte Arbeit als Talent. Denn Talent trägt nur „so weit“. doch das innere Kind will Anerkennung für seine Leistung. Bleibt diese aus, kommt die Traurigkeit. Hier erfährst Du, wie Du die alten Bindungsmechanismen überkommen und in diesem Sinne „erfolgreich“ leben kannst.

Picture by DW Drums

Wir alle müssen lernen!

Halt, Moment! Müssen?

Ist das nicht eines der Wörter, die von Therapeut*innen eher aus dem Sprachschatz verbannt werden? Bei „müssen“ kommt schon die Unlust auf. Müssen ist extrinsisch, von außen. Müssen hat nichts mit Wollen zu tun.

Motivation, Arbeit und Talent

Bock, Lust oder Motivation kommt zumeist dann auf, wenn ich meine, dass ich etwas kann. Wenn die Aufgabe bewältigbar erscheint, aber nicht mit allzu viel Anstrengung verbunden ist. Oder wenn klar ist, dass der Erfolg kommen wird, denn dann stecke ich auch gern sehr viel Energie hinein.

Um gerade Letzteres zu tun, ist es wichtig, dass ausreichend Erfahrungen gemacht werden, dass sich Arbeit – denn das ist im Kern „Anstrengung“ – lohnt.

Mit „Arbeit“ sind hier also nicht Erwerbstätigkeiten gemeint, sondern Kraftaufwendungen, die zunächst nicht so viel Spaß machen, weil zum einen das Ergebnis nicht sofort oder zumindest schnell erzielt ist und zum anderen nicht sicher ist, ob alles auch zum gewünschten Erfolg führt.

Im Gegensatz dazu steht Talent. Mit Talent kann vieles gerade auf den ersten Stufen einer Tätigkeit leichter erreicht werden. Zugleich reicht dies immer nur bis zu einem gewissen Grad. An diesem angekommen, wo also das Potenzial des initialen Talents aufgebraucht ist, beginnt sie wieder: die Arbeit.

Talentierte lassen genau dann oftmals ab von weiteren Anstrengungen – eben weil die Aufgabe jetzt zur Anstrengung geworden ist. Es macht plötzlich keinen Spaß mehr, weil es jetzt nicht mehr locker von der Hand geht.

Zugleich finden Talent und Anstrengung bzw. Arbeit in diesem späteren Status wieder zusammen, weil die/der Talentierte aus den Früchten der Arbeit wahrscheinlich ganz andere Schlüsse ziehen kann, weil er/sie hierbei wieder das Naturgegebene anwenden und in ihrem/seinem Sinne kreativ sein kann.

Jimi Hendrix etwa gilt unbestritten als großartiger Gitarrist. Er war ein Naturtalent. Aber er rannte auch den ganzen Tag mit der Gitarre um den Hals herum. Wirklich den ganzen (!) Tag und das noch vor seiner großen Karriere.

Ich frage mich: Wäre er derselbe erfolgreiche Musiker gewesen mit denselben genialen Ideen, wenn er dies nicht getan hätte? Wahrscheinlich hätte er dieselben Ideen gehabt, aber um sie umsetzen zu können, musste er ebenfalls die dazu passende Technik und Fingerfertigkeit beherrschen.

Gerade im musikalischen – wie vielleicht in allen handwerklichen – Bereichen wird das Moment des Trainings im Vergleich zum Talent deutlich (manchen fällt nun wegen des Begriffs „Training“ auch noch der Sport ein).

Oder wie Eddie Van Halen – ebenfalls ein nicht weniger einflussreicher Gitarrist – sagte:

„I know a lot of people who really want to be famous or whatever, but they don’t really practice the guitar.
They think, all you need to do is grow your hair long and look freaky and jump around, and they neglect the musical end.
It’s tough to learn music; it’s like having to go to school to be a lawyer.
But you have to enjoy it. If you don’t enjoy it, forget it.“

Kapitulation vor dem Ausbau der eigenen Fähigkeiten

Ich war – glaube ich – ein passabel talentierter Schlagzeuger. Aber ich gab beim Doppelschlagwirbel auf. Die Technik erschloss sich mir nicht, es erschien mir spießig und die Fortschritte ließen auf sich warten, also wurde es langweilig. Dass diese Technik eine der zentralen Werkzeuge für Schlagzeuger ist, interessierte mich nicht, denn ich spielte Rock. Ich war 17 Jahre alt. Wen kümmern da solche Jazz-Sachen…?

Ähnliches bei der Double-Base-Drum, also dem gleichzeitigen Spiel von zwei großen Trommeln mit den Füßen. Hier „entschuldigte“ ich mich vor mir selbst mit dem Verweis, dass ich ja kein Heavy-Metal-Drummer war.

Jahre später merkte ich, dass mir diese Techniken einen ganzen Raum neuer Möglichkeiten eröffnet hätten. Aber ich beherrschte sie nicht. Sollte ich diese etwa jetzt lernen? Mit über 40?

Also überlegte ich, was denn alles schief lief, dass ich das nicht habe lernen können. In diesem Zusammenhang fiel mir auf, dass ich eigentlich nahezu nichts zur Reife der „Professionalität“ geführt hatte. Ich hatte für mich selbst nicht den Eindruck, irgendetwas wirklich „gemeistert“ zu haben, auch wenn das formal evtl. ganz anders ‚rüberkam (etwa, weil ich promoviert habe oder wenn ich über Max Webers Herrschaftssoziologie rede oder so – und selbst dann…!).

Was hat das alles mit #COPMI zu tun?

Was fehlte, waren Bestätigungen als auch Forderungen und Motivationen in bestimmten Momenten und aus einer bestimmten Sicht. Was fehlte, waren Eltern, die – und hier wird es voraussetzungsvoll – den Weitblick über die eigenen Anstrengungen hinaus haben. Die also wissen, dass sich die Anstrengung lohnt und die an mich glaubten.

Daneben lebte ich in einer Situation, die von mir ständig – explizit oder implizit – verlangte, Verantwortung zu übernehmen. Bereits das war harte Arbeit für mich oder fühlte sich also solche an, denn: Ich hatte keinen Bock drauf! Im Ergebnis führte alles, was auch nur irgendwie nach ebensolcher „Arbeit“ roch, bei mir zu innerer Ablehnung.

Nur wie konnte ich dann so gut mein Studium abschließen und dann auch noch promovieren?

Weil ich mich zwang. Das klappt ganz gut – aber nur in Bezug zur Tätigkeit. Mein Körper stattdessen rebellierte maßlos, indem ich extrem unter diesen Situationen litt und etwa dauernd krank wurde (wie bei Gabor Maté: Der Körper sagt irgendwann: „Nein!“

Darüber hinaus gab es auch keine positiven Rückmeldungen (mehr): Mein Vater war tot, meine Mutter hatte durch ihre Flucht in ihre Schizophrenie ihre Rolle als Mutter verlassen und mein Großvater war insofern mit vielem überfordert, weil er Dinge, die ich tat, schlicht nicht einordnen konnte (etwa, als ich ihm meine erste Hausarbeit an der Uni zeigte und ganz sicher konnte er nichts mit Double-Stroke Open Rolls am Schlagzeug anfangen.)

Erfolgreich sein tut weh: Arbeit ohne Anerkennung

Überspitzt formuliert: ich hatte nie gelernt, erfolgreich zu sein. Zugleich vermied ich auch, erfolgreich zu sein, denn „erfolgreich sein“ ging auch mit Schmerz einher, zumindest, sofern ich noch etwas fühlen konnte. Das mag jetzt etwas verworren klingen, also möchte ich das kurz erläutern:

In den Abschlussprüfungen des Studiums hatte ich zumeist gute bis sehr gute Noten. Etwa kam ich aus der Prüfung zur politischen Wissenschaft raus mit einer Eins. Ich telefonierte mit einem Freund und musste diesem aber gestehen: „Ich kann mich nicht freuen!“ Der verstand wiederum nur Bahnhof und ich konnte meine Äußerung selbst nicht einordnen – damals.

Ich konnte mich vor allem deshalb nicht freuen, weil ich sowieso schon zu weit weg von meinen Gefühlen war. Denn wie hätte ich ein Studium abschließen können, wenn sich eigentlich alles gegen diese „Arbeit“ sträubte? Daher wurde ich ja auch dauernd krank! Die Verdrängung über die Jahre hatte dazu geführt, dass ich mich von mir selbst entfernte. Nur mein Kopf, meine Ration sagte mir: es ist richtig, einen Abschluss zu machen und diesen möglichst gut!

Einige Jahre und viele Therapiestunden später wurde mir klar, dass ich auch eine gewisse Angst vor Erfolg hatte, denn es würde Salz in eine ganz alte Wunde der Kindheit streuen: Fehlende Anerkennung!

Erfolg und Enttäuschung

Es mag bescheuert klingen, aber wenn das (innere) Kind die Aufmerksamkeit und Anerkennung der Eltern will, dann tut es weh, wenn es guten Grund für diese Anerkennung gibt, diese aber dann doch nicht kommt. Es ist besonders wichtig, dass diese Anerkennung von den Eltern kommt, denn die Einzigartigkeit in der Beziehung zwischen Eltern und Kind macht auch die Anerkennung einzigartig. Niemand kann diese ersetzen!

Wenn ich aber erfolgreich war, dann holte dieser jeweilige Erfolg immer auch den Schmerz der Enttäuschung zurück und machte mich traurig. Ganz plastisch war das bei der Vergabe der Zeugnisse sowohl beim Abitur als auch nach dem Studium. Alle anderen waren mit ihren Eltern da, alle anderen hatten ihr Umfeld, das ihnen Anerkennung (und Freude) zurückspiegelte.

Ich hingegen hatte eine Mutter, für die ich mich schämte, weil sie so unglaublich dick und ungepflegt herumlief – und wahrscheinlich auch seltsame Bemerkungen machte oder gar mit sich selbst redete (Abiturabschlussfeier) oder ich hatte gar niemanden da und saß bei der Gesellschaft eines Kommilitonen im Restaurant mit dabei, der mich freundlicherweise eingeladen hatte (Studienabschluss).

Das tut so schon weh genug, aber wenn es eine alte Wunde ist, die noch nicht richtig verheilt ist, dann ist es noch schlimmer.

Was braucht die Traurigkeit?

Während meines letzten Klinikaufenthaltes hatte ich verschiedene Zettelchen an der Innenseite meiner Zimmertür, auf denen verschiedene „Kernsätze“ standen, die mir im Klinikalltag oder in den Therapien begegneten. Einer lautete: „Was braucht die Traurigkeit?“

Diese Frage stellte mir meine Therapeutin, als ich davon berichtete, dass ich oftmals traurig werde, auch wenn ich schöne Momente habe. Mein erster Therapeut fragte mich einmal, was denn wäre, wenn es mir gut ginge und ich antwortete: „Dann würde ich weinen – weil es so schön wäre!“. Seine Frage blieb haften, weil ich auf sie ad hoc keine Antwort hatte.

Eine Mitpatientin in der Klinik sah den Zettel und sagte intuitiv: „Eine Umarmung! Das ist es, was die Traurigkeit braucht.“ Aber ich spürte, dass das für mich am Kern der Thematik vorbeiging. Denn es geht hierbei ja nicht um Trost, sondern darum, dass die Traurigkeit erst gar nicht kommt.

Wochen später kam ich der Sache weiter auf die Spur: Es war nun die Aufgabe, mich aus den Fesseln meiner Mutter zu befreien und die Enttäuschung und Wut über das Ausbleiben der Anerkennung und Aufmerksamkeit zu überkommen. Denn damit behindere ich mich nur selbst!

Therapeutisch gesprochen geht es also um das innere Kind, das nun lernt, diese Enttäuschung nicht mehr aufkommen zu lassen. Das ist eine harte Lektion und immer wieder herausfordernd, denn solche Momente der Trauer (Enttäuschung) über das Ausbleiben der elterlichen Liebe (Aufmerksamkeit und Anerkennung) werden immer und immer wieder kommen. Tagtäglich komme ich als erwachsener in diese Situationen. Doch die Sehnsucht nach der elterlichen Liebe wird unerfüllt bleiben.

Das Leben – und den Alltag – mit dieser geänderten Grundhaltung anzugehen, hat etwas befreiendes. Denn ich brauche jetzt keine Angst mehr zu haben, dass das innere Kind enttäuscht wird, denn der kleine Christian bekommt diese Anerkennung nun von mir.

Selbstwirksamkeit!

Auch das ist leichter gesagt, als getan. Denn zunächst gilt es, die Sensibilität für diese Bedürfnisse (wieder) zu erlernen. Das alles wird heutzutage zumeist unter dem Begriff der Achtsamkeit verhandelt. Früher wurde dazu gesagt: Höre auf Deine Gefühle! Was sind Deine Bedürfnisse? Was brauchst Du? Was tut Dir gut?

Kurzum: Über den Zugang zu mir selbst, konnte ich dem Konzept des „inneren Kindes“ sehr viel abgewinnen (oder umgekehrt, denn tatsächlich hängt beides so eng zusammen, dass m.E. jeder von beiden Seiten und vor allem immer wieder auf „die Sache“ blickt).

Sodann ist der nächste Schritt, in die Aktion zu gehen, ins tun zu kommen! Zu wirken! Selbst durch das eigene Handeln eine Wirkung zu erzielen – und diese Effekte des eigenen Handelns als gut, schön und somit als wirkungsvoll zu erkennen.

Das ist Selbstwirksamkeit.

Addendum: Es gibt noch einen Zusammenhang, der zugleich viel schmerzlicher ist, als die fehlende Anerkennung bei Erfolg – nämlich der fehlende Trost bei Misserfolg. Auch dieser Trost ist besonderer Trost, denn es ist elterlicher Trost, den ich will. Der Schmerz, der kommt, wenn ich diesen Trost nicht bekomme, entsteht also zusätzlich zu der eigenen Enttäuschung, es nicht geschafft zu haben.

Die Angst hiervor ist vielleicht noch größer als jene Angst im Falle des Erfolgs. Was, wenn ich es nicht schaffe? Was, wenn ich versage? Wer unterstützt mich dann? Wer ist dann da, mich in diesen dunklen Momenten zu begleiten?

Die Lösung liegt auch hier auf derselben Linie der Selbstwirksamkeit: Wenn ich es nicht versuche, werde ich a) nie wissen, ob ich es nicht doch schaffe und b) die alten Kräfte, die mich vor der selbstwirksamen Aktion zurückhalten, niemals überwinden können.

Also: Sei aktiv. Wirke! Selbst!

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