Zusammenfassung: Die vier Ebenen (oder die vier Seiten) der Kommunikation nach F. Schultz von Thun lassen sich im Alltag leichter anwenden, wenn man sie sich jeweils als Ankerfragen vergegenwärtigt. Dann lässt sich auch die wichtige Selbstoffenbarungsebene leichter „entschlüsseln“.
Über die Jahre wurde mir mehrfach und in unterschiedlichsten Kontexten das Modell der Kommunikation nach Friedemann Schultz von Thun erklärt. Dabei geht es um die vier Ebenen der Kommunikation oder auch vier Münder und ihre vier korrespondierenden Ohren:
- Sachebene
- Appellebene
- Selbstoffenbarungsebene und
- Beziehungsebene
Kurz gefasst geht es darum, dass in einer Nachricht immer (!) alle vier Ebenen enthalten seien. Das heißt, gleich, was das Gegenüber mir als Satz sagt, „schwingt“ die Nachricht auf allen Ebenen und somit „schwingen“ auch immer vier Botschaften mit.
In den jeweiligen Seminaren oder auch Schulstunden werden dann Beispiele durchgekaut, welche die Teilnehmer*innen dann eine bestimmte Nachricht mittels der vier Ebenen analysieren bzw. die vier Botschaften entschlüsseln sollen.
Das gelingt mal mehr und mal weniger leicht.
Im Alltag erscheint die Nutzung dieser Erkenntnisse nur bedingt handhabbar, denn wer hat in einer normalen Kommunikation, also etwa einem Gespräch auf dem Flur oder auf der Straße die Muse (um nicht zu sagen: die Nerven), nahezu bei jedem (wichtigen) Satz in die Reflexion über die vier Ebenen zu gehen?
Das ist schon dann zu viel, wenn man sich nur auf die Achse Sachebene <—-> Selbstoffenbarungsebene begeben möchte. Diese Achse gilt als besonders fruchtbar und wird zugleich in der Alltagskommunikation weitgehend vernachlässigt. Ihr Vorteil liegt darin, dass die Botschaften auf diesen Ebenen weit weniger konfrontativ aufgefasst werden als auf den anderen Ebenen.
Etwa kann es sehr entspannend sein, wenn sich mal wieder der Kollege aufregt, zu antworten: „Du hast sicher gerade viel Stress!“ (dessen Nachricht gehört auf der Selbstoffenbarungsebene) anstatt seine Botschaften als „mach mal hier und mach mal da“ (Nachricht gehört auf der Appellebene) zu interpretieren.
Zugleich gilt die Selbstoffenbarungsebene als die wohl am schwierigsten zu entschlüsselnde Ebene, weil sie oft mit Appell und Beziehung verwechselt wird bzw. an diese gleichsam angrenzt. Am leichtesten zu entschlüsseln ist hingegen die Sachebene.
Dies ging mir auch so, bis ich in einer Übung mal wieder mit den vier Ebenen konfrontiert wurde und mich dann gefragt habe, wie man diese denn noch formulieren könnte: nämlich als Fragen!
Da die Begriffe sehr abstrakt und daher ad hoc schwer auseinanderzuhalten sind, ist mir aufgefallen, dass mir die Ebenen in Form einer (oder mehrerer) Frage(n) den kognitiven als auch emotionalen Zugang erheblich erleichtern.
Die entsprechenden Fragen zu den jeweiligen Ebenen könnten lauten:
- Was ist? (Sache)
- Was willst Du? (Appell)
- Wie geht es Dir? (Selbstoffenbarung)
- Wer bist Du? (Beziehung)
Diese Fragen sind kurz und leicht(er) zu merken!
Vielleicht sind diese Fragen für die/den ein/e oder andere/n auch missverständlich und führen nicht zu einem schnelleren Zugang.
Für die anempfohlene Achse zwischen Sach- und Selbstoffenbarungsebene habe ich mir zur Nutzung im Alltag daher noch weitere Fragen überlegt:
Sachebene
- Was ist?
- Was spricht die/der andere als Thema an?
- Was wird definiert/konkretisiert?
- Worum geht es?
- Welcher Gegenstand (stofflich) oder Sachverhalt (organisational/prozessural/relational) wird angesprochen?
Selbstoffenbarungsebene
- Wie geht es Dir?
- Was fühlst Du?
- Was zeigst Du mir von Deinem Inneren durch Deine Aussage?
- In welcher emotionalen Verfassung bist Du gerade?
- Welches Gefühl „trägt“ Deine Aussage?
Fragen für die anderen Ebenen könnten sein:
Appellebene
- Was willst Du?
- Was soll ich tun?
- Welchen Auftrag gibst Du mir?
- Wozu möchtest Du mich veranlassen?
Beziehungsebene
- Wer bist Du?
- Wie stehen wir zueinander?
- Was hältst Du von mir?
- Was ist unsere (in-/formelle) Hierarchie?
- Welche Rolle hast Du für mich?
Auf der Basis dieser Liste kann sich jeder seine eigene, am besten passende Ankerfrage aussuchen oder sich eine eigene überlegen, die noch besser passt.
Mit diesen Ankerfragen kann man dann versuchen, gerade zu Beginn eine Konversation – weil dann meistens noch etwas Zeit zum überlegen ist, bevor man gleich antworten muss – und wenn man angesprochen wird (man also re-agieren darf und nicht agieren muss), das Gehörte mittels der gewählten Ankerfrage zur entschlüsseln und dann auf ebendieser Ebene zu antworten.
Wie gesagt, empfohlen wird hierbei vor allem die Selbstoffenbarungsebene, weil diese am schwierigsten zu „entschlüsseln“ ist.
Beispiele (für das Hören der jeweiligen Aussage auf der Selbstoffenbarungsebene)
Aussage: Da vorne ist es grün!
Ankerfrage: Was zeigst Du mir von Deinem Inneren durch Deine Aussage?
Erkenntnis auf der Selbstoffenbarungsebene: Er hat sicher wenig Zeit.
Meine Antwort: Du hast es also eilig?
Aussage: Ihr Schreibtisch ist aber ganz schön unaufgeräumt!
Ankerfrage: In welcher emotionalen Verfassung bist Du gerade?
Erkenntnis auf der Selbstoffenbarungsebene: Da scheint viel Druck zu sein, der sich an mir entlädt.
Meine Antwort: Sie hatten sicher einen stressigen Tag?
Aussage: Was ist denn das Grüne da in der Suppe?
Ankerfrage: Wie geht es Dir?
Erkenntnis auf der Selbstoffenbarungsebene: Sie schaut sehr genau hin.
Meine Antwort: Ah, Du bist ja ein echter Feinschmecker.